Unsere LoungewearInterview mit der Modedesignerin Aimée Grünewald
Fotos von Peter Wolff
Aimée Grünewald studiert Modedesign an der Universität der Künste in Berlin und gründete 2021 nebenher ihr eigenes Label Aimée G. Für Otto Keller hat die 30-Jährige Unisex-Loungewear entworfen, die nicht nur für erholsamen Schlaf sorgt, sondern sich auch im Alltag wunderbar tragen lässt. Wir haben mit Grünewald über ihre Leidenschaft für Mode, die Wichtigkeit von Schlafanzügen und Nachhaltigkeit in der Modeindustrie gesprochen.
Welche Designposition verfolgst du in der Arbeit?
Aimée Grünewald
Ich habe vor meinem Studium sowohl Damen-Schneiderin als auch Herren-Schneiderin gelernt und bin sehr eng im Handwerk verwurzelt. Ich lege viel Wert auf eine hochwertige Verarbeitung und hochwertige Materialien. Mir ist bewusst, dass es viel Kleidung auf unserem Planeten gibt und wir ein totales Problem mit Überproduktion und Fast Fashion haben. Deshalb ist es mir wichtig, Teile zu erzeugen, die ihren Besitzer:innen viel wert sind und dementsprechend ein langes Leben haben. Ich arbeite gerne experimentell und versuche, die Grenzen von Mode zu erweitern, indem ich mich zum Beispiel viel mit Größen beschäftige: Kann man Sachen produzieren, die an alle Körper passen, die sich verstellen lassen und sich mit den Körpern verändern?
Für Otto Keller hast du Loungewear entworfen. Was war dir dabei wichtig?
AG
Loungewear sind zeitlose Kleidungsstücke – das wollten wir im Design widerspiegeln. Da Loungewear primär im privaten Bereich getragen wird, hatten wir die Idee, sie so zu designen, dass man beide Teile sowohl kombiniert als auch separat im Alltag tragen kann – wie eine Chinohose oder ein Hemd. Wir haben uns für einen sehr reduzierten, klassischen Schnitt entschieden: nicht tailliert, sehr gerade und relativ weit. Ich finde es cool, Kleidung herzustellen, die für alle funktioniert, deswegen ist unsere Loungewear unisex. Das Hemd hat einen Umlegekragen mit einem kleinen Revers und ein paar ganz dezente Absteppungen an den Säumen. Die Hose hat Taschen und einen abgesteppten Schlitz, der sie outdoorfreundlich macht. Für die Gemütlichkeit gibt es statt eines Knopfes einen Gummibund.
Wie lief der Designprozess ab?
AG
Wenn ich ein neues Projekt beginne, begleitet es mich sofort in meinem Alltag. Ich setze mich also nicht erstmal hin und zeichne, sondern denke nach und spreche mit Freund:innen. Das setzt in mir einen Prozess der Auseinandersetzung mit dem Thema in Gang und plötzlich sehe ich überall Dinge, die zum Beispiel Bestandteil von Loungewear sein könnten. Als der erste Entwurf stand, habe ich einen Prototypen aus Nesselstoff gefertigt.
Ich kenne das selbst: Manchmal kauft man Kleidungsstücke und merkt, dass sich die Menschen dahinter nicht wirklich damit auseinandergesetzt haben, was es bedeutet, das Teil zu tragen. Ein gutes Beispiel sind Hosentaschen in Damenhosen. Die sind so klein, dass gerade ein Feuerzeug oder ein Lippenstift hineinpasst. Ich finde es wichtig zu schauen, was man im Alltag braucht. Wie fest muss der Bund sein, damit die Hose nicht runterrutscht, wenn ich mein Handy in die Hosentasche stecke? Die Hose für Otto Keller hat zum Beispiel eine aufgesetzte Gesäßtasche – die nimmt nicht viel Raum ein und bietet trotzdem die Möglichkeit, etwas mit nach draußen zu nehmen.
Für welche Materialien hast du dich entschieden?
AG
Da es sich um ein nachhaltiges Projekt handelt, haben wir uns für einen Baumwoll-Batist entschieden. Das ist ein ganz glatter Baumwollstoff mit einer relativ robusten Bindung. Baumwolle hat den Vorteil, dass sie sowohl gemütlich ist als auch gute bekleidungsphysiologische Eigenschaften hat: Sie ist sehr weich, gut verträglich und kann Feuchtigkeit aufnehmen und abgeben. Ich persönlich trage zu Hause am liebsten Baumwolle. Wichtig ist nur, dass der Schnitt dann weit genug ist. Ich finde, man muss da irgendwie Raum drin haben, um sich zu bewegen. Ein weiterer Pluspunkt ist der geringe Pflegeaufwand. Man kann die Baumwoll-Loungewear ohne Probleme häufig in die Waschmaschine werfen. Ich glaube, wir haben eine ziemlich gute Stoff-Auswahl getroffen, die beide Situationen – indoor und outdoor – gut bedient.
Was bedeutet dir Nachhaltigkeit in der Mode?
AG
“Nachhaltigkeit” ist ein zwielichtiger Begriff, weil er im Kapitalismus gerne verwendet wird, um etwas zu verkaufen. Was in meiner Arbeit immer mitschwingt, ist Moral. Für mich sind Arbeitsbedingungen super wichtig. Die Menschen, die meine Kleidungsstücke fertigen, müssen einen fairen Lohn bekommen. Otto Keller fährt in meinen Augen zum Beispiel einen nachhaltigen Ansatz, indem das Unternehmen mit jungen Designer:innen zusammenarbeitet, die gerade ihr Business aufbauen. Das heißt, die Jobs werden nicht an große Unternehmen vergeben, die womöglich weniger Wert auf Ethik und Nachhaltigkeit legen.
Was bedeutet Loungewear für dich?
AG
Loungewear steht für mich dafür, mir den Raum zu geben, zu entspannen, loszulassen und einfach nur abzuhängen. Man gibt viel Geld für Dinge aus, die einen in einem produktiven Stadium noch produktiver machen – sich etwas zuzulegen, das einem hilft zu entspannen, ist etwas Besonderes. Unter Umständen sieht man seine Loungewear nur selbst – das heißt, man kauft sie nicht unbedingt für einen gesellschaftlichen Auftritt. Ich ziehe mir immer sofort etwas Gemütliches an, wenn ich nach Hause komme, und bin direkt in einem ganz anderen Modus. Das ist es, was Loungewear für mich ausmacht: Entspannung.
Lebensqualität